Franz Schlemminger
(1875 - 1942)
Ein Landrat des Niederbarnim
Der spätere Landrat Franz Georg Schlemminger wurde am 30.12.1875 in Berlin geboren. Am 8.11.1897 heiratete er in Berlin Klara Röstel, die am 26.10.1877 geborene Tochter eines Berliner Tischlers. Der ebenfalls gelernte Tischler Schlemminger konnte sich als Gewerkschaftler und hauptamtlicher Parteisekretär der SPD-Organisation Niederbarnims profilieren. Seit 1913 gehörte er dem Niederbarnimer Kreistag an. Während des Ersten Weltkriegs diente er von 1915 bis 1918 im Landsturm-Infanterie-Regiment 18 an der Ostfront. Eine Kriegsbeschädigung von 30 % war die Folge.
Gegen Ende des Krieges brachten die Sozialistischen Monatshefte seinen kurzen Beitrag über „Die Frauenarbeit in der Holzindustrie“. Darin trat er etwas unemanzipatorisch für ein völliges Verbot der Frauenarbeit an den gefährlichen Holzbearbeitungsmaschinen oder wenigstens für eine Verkürzung der Arbeitszeit ein. Seine Ehefrau verfügte übrigens 20 Jahre später zwar über Kenntnisse und Erfahrungen in der Hauswirtschaft (Nähen und Kochen), jedoch weder in Bürotätigkeit noch Landwirtschaft oder Fabrikarbeit.
Am Montag, dem 11. November 1918 besetzten bewaffnete Arbeiter und Soldaten das Gebäude des Landratsamtes, in dem sich eine Zentralstelle des Arbeiter- und Soldatenrates des Kreises Niederbarnim konstituierte, der auch Schlemminger angehörte. Der amtierende „kaiserliche“ Landrat Joachim von Bredow blieb jedoch noch im Amt. Erst nach den Kreistagswahlen vom September 1920 wurde Schlemminger mit den Stimmen von SPD, DDP und einigen der Fraktionsgemeinschaft DVP/DNVP bei Stimmenenthaltung der USPD, die einen eigenen Bewerber nominiert hatte, als Kandidat dem preußischen Innenministerium vorgeschlagen. Dieses bestätigte ihn offiziell in der Funktion des Landrates. Kommissarisch hatte er sie seit dem 8. März, vielleicht schon 17.1. 1920 innegehabt.
Anders als bei seinem Vorvorgänger im Amt, dem Landrat Felix Busch, dessen Erinnerungen posthum veröffentlicht wurden, ist über Schlemmingers offizielle Tätigkeit kaum etwas bekannt. In einer im Jahr 1988 bei Tastomat in Eggersdorf gedruckten Publikation wird er aus kommunistischer Sicht als politisch rechter Sozialdemokrat scharf kritisiert. Darauf soll hier nicht weiter eingegangen werden.
Obwohl der Niederbarnim durch das Groß-Berlin-Gesetz von 1920 stark verkleinert worden war, residierte der Landrat weiterhin am Friedrich-Karl-Ufer 5 in Berlin NW 40 (nahe der Zentrale des AEG-Konzerns, jetzt Kapelle-Ufer). Privat besaß Franz Schlemminger seit 1924 ein Wohngrundstück in der Donaustraße 3 in Petershagen bei Berlin. Auch im Ort konnte seinen Mitbürger behilflich sein. So befürwortete er 1932 eine private Autobuslinie als Zubringer für Bahn, Post und Rathaus. Ein Jahr später war er schon nicht mehr im Amt.
Die Nazizeit überlebte der Landrat a. D. Franz Schlemminger in Petershagen. Ein von ihm kurz nach dem Ende Krieges verfasstes Schreiben ist von dort datiert. Darin unterstützte er wohlwollend, wenngleich zurückhaltend formuliert, den Entnazifizierungsantrag eines Dorfbewohners. Schlemminger Ehefrau war bereits am 16. April 1942 verstorben. Er selbst folgte ihr am 27.06.1946 im Tode nach.
Dr. Holger Krahnke